18.12.2015
Liebe Chantal,
in diesen Stunden nehmen deine Liebsten endgültig Abschied von dir, der letzte schwere Gang der Urnenbeisetzung steht ihnen heute bevor und dafür wünsche ich ihnen ganz viel Kraft. Es war mir leider nicht mehr vergönnt, dich persönlich kennenzulernen, es ging einfach alles viel zu schnell.
Ich empfinde es als Verlust, denn der Pastor, der die Trauerfeier am Montag für dich gehalten hat, hat uns allen in wunderschönen Worten erzählt, was für ein außergewöhnlicher, liebenswerter und lebensfroher junger Mensch du gewesen bist.
In der Zeit, als du im Krankenhaus warst, habe ich deine Familie mehrmals besucht und wir haben viel über dich gesprochen. Wir haben alle zusammen gehofft, dass ein Wunder geschieht, aber dann kam die Nachricht, dass deine Kraft nicht mehr gereicht hatte.
In einem Gespräch nach deinem Tod, sagte deine Mutter zu mir: “Chantal hatte, wie alle jungen Mädchen, den Wunsch, einmal berühmt zu werden.“
Deine Geschichte hatte sich auf der Suche nach Hilfe für dich und deine Familie explosionsartig verbreitet. Unglaublich viele Menschen nahmen Anteil, schickten Grüße, Hilfsangebote und Trostgeschenke für deine kleine Schwester und deine Eltern, selbst die Presse wurde auf dich aufmerksam…du wurdest berühmt…und so haben wir dir unbeabsichtigt vielleicht sogar deinen letzten Wunsch erfüllt.
Du hast sicher gesehen, dass die Kirche fast bis auf den letzten Platz gefüllt war.
So viele Menschen wollten Abschied von dir nehmen, dir die letzte Ehre erweisen.
Ich wollte irgendwo in einem hinteren Eckchen unauffällig verschwinden.
Als ich dort saß, bat man mich auf die andere Seite der Kirche, wo ich wieder in die hinterste Reihe ging … aber: niemand setze sich auf die Stühle in den Reihen vor mir, sodass ich die ganze Zeit einen Überblick über die Menschen hatte, die um dich trauerten. Es waren so viele junge Menschen darunter, deine Freunde, Klassenkameraden und deine Kollegen aus dem Konfirmandenunterricht und sie alle haben bitterlich um dich geweint. Ich glaube fast, dass viele von ihnen wirklich erst in diesem Moment realisiert haben, dass du tatsächlich nie wiederkommst.
Es waren die leisen Momente, die mich am meisten erschüttert haben.
Da war der Pfarrer, dem man anmerkte, dass er selbst tief betroffen war, weil er dich kannte, der aber auch genau aus diesem Grund, die vielleicht emotionalste Trauerfeier seines Lebens hielt. Da war der kleine Junge in der Reihe vor mir, den seine Mutter in den Arm nahm, als es ihn vor Kummer und Tränen schüttelte, oder der Junge im Rollstuhl, der zuerst versuchte tapfer zu sein und seinen Tränen dann ungehindert freien Lauf lassen musste.