Hilal

Hilal ist 13 Jahre alt und seit ihrer Geburt schwerbehindert, eine Laune der Natur, "nicht fertig geworden".

Bei ihr fehlt der komplette Hirnbalken, der die beiden Gehirnhälften zusammenhält.
Dadurch ist sie geistig und körperlich behindert.
Sie kann nicht sprechen, nicht laufen, nicht essen.
Sie wird über eine PEG ernährt.
Dazu kommen Verhaltensauffälligkeiten in Form von Schrei-Attacken und Selbstverletzungstendenzen.
Ihre Hände sind deformiert, weil sie ständig reinbeißt. Sie schlägt teilweise mit ihrem Kopf an die Wand.
Niemand weiß, ob sie Schmerzen empfindet, sie kann sich ja nicht mitteilen.
Das sind Reflexe und von ihr nicht zu kontrollieren.
Sie werden sowohl aus Wut, als auch durch Freude ausgelöst und sind weder zu stoppen, noch zu kontrollieren.

Hilal wird von ihrer Familie vollständig und allein versorgt und das machen sie wunderbar!
Allerdings ist die Familie durch die Pflege und die Versorgung Hilals auch erheblich belastet.

Besonders die Schreia-Attacken setzen ihrer ganzen Familie sehr zu. Von Oktober bis Februar wurden sie so sehr zur Belastung, dass auch der Vater krank wurde. Er arbeitet im Drei-Schichtdienst und durch den Schlafentzug wurden alle körperlichen und mentalen Grenzen überschritten.

Ich habe Hilas "Stimmchen" vorgestern gehört und glaubt mir, das kann durchaus zur Folter werden!
Der Rekord lag an einem Tag bei 9Stunden nonstop.
Warum sie schreit, weiß auch niemand so genau. Es ist natürlich ungeheuer schwierig, ihre Stimmung zu deuten und zu erraten, was sie gerade möchte.

Ich fragte, wie denn die Nachbarn damit umgehen und bekam zur Antwort: "Wissen Sie Frau Hühn, das ist ja der Grund, warum ich ein Haus bauen musste (2010). In einer Mietwohnung können wir mit unserer Tochter nicht leben. Da schmeißen sie uns raus. Ein normales Familienleben ist leider nicht möglich. Wir können z.B. keine Ausflüge machen. Als wir das mal versucht haben und in Köln waren, fing Hilal plötzlich laut an zu schreien und ich blickte nur meine Frau an und sagte "los, schnell wieder ins Auto"... ALLE Menschen gucken ja."

Hilal hat noch zwei Schwestern, 4 und 16 Jahre alt.
Ich sah ihre große Schwester an und sagte: "Mensch, da habt Ihr zwei ja auch ein großes Paket mitzutragen!"
Sie lächelte und antwortete: "Ja, das stimmt schon, aber wenn sie dann mal nicht da ist, ist das Haus auch so leer.
Nicht so gut ist es, wenn ich lernen muss. Dann setze ich mir Kopfhörer auf, damit ich mich konzentrieren kann."

Ich bin ungeheuer beeindruckt, wie liebevoll die ganze Familie mit Hilal umgeht und wie selbstverständlich sie – trotz aller Widrigkeiten – in ihrer Familie lebt. Aber: je älter Hilal wird, desto schwerer wird sie natürlich auch. Für die Mutter, eine zierliche Frau, wird das Problem auch immer größer, weil sie selbst auch angeschlagen ist.

Sie leidet unter rheumaähnlichen Symptomen.

Das ganze Paket ist gewaltig!!!

Ich verneige mich vor dieser unerschütterlichen Liebe, die fast greifbar war, und vor dieser starken Familie!
Ich glaube, was ich da am Samstag erlebt habe, ist nicht selbstverständlich.

 

Das Problem:

vor drei Jahren kaufte der Vater einen neuen VW Caddy und ließ ihn behindertengerecht umbauen, damit er Hilal und ihren Rollstuhl problemlos transportieren kann.

Von einem neuen Auto erwartet man ja eigentlich, dass es ein paar (mehr) Jahre hält. Dieses aber leider nicht ... Motortotalschaden, ausgelöst durch den Turbolader und dann kam´s zur Kettenreaktion!

Weder der VW Händler, noch VW selbst, fühlten sich zuständig, die Garantie sei ja abgelaufen.
Der Vater schrieb daraufhin einen Brief direkt an VW und erreichte damit, dass VW zumindest die Materialkosten übernimmt.
Die "Drumherumkosten" in Höhe von ca. 3.500.- Euro allerdings, bleiben an ihm hängen und die hat er natürlich nicht mal eben ...

Mit nur einem Gehalt (die Mutter kümmert sich um Hilal und die beiden Geschwister) und den Belastungen für das Haus, ist das ein Problemberg, über den er nicht drübergucken kann ...