Mikas Geschichte

Krankheitsverlauf Mika und Hintergrund der Schulbegleitung, geschrieben von seinem Vater:

Mika hatte bereits zu Lebensbeginn im Jahr 2008 das „negative Glück“ den Jackpot in der Lotteriekategorie „Schlechter Lebensstart und großes Pech“ zu gewinnen. Durch einen Virus bedingt wurde sein Herz schwer und nachhaltig geschädigt.

Dilatative Kardiomyopathie ist die Ausgangslage, die in den folgenden acht Jahren noch weitere Nebendiagnosen und Behandlungen bedingte (Mitralklappenersatz, dadurch Antikoagulation mit Marcumar, Herzrhythmusstörungen, Implantation eines ICD Schrittmacher/Defibrilator.) Durch die hochdosierte Marcumar-Therapie ergibt sich für Mika ein erhöhtes Risiko bei Verletzungen durch starke innere wie äußere Blutungen. Zusammen mit seiner eingeschränkten Belastbarkeit und seinen Herzrhythmusstörungen war und ist aus unserer Sicht eine Schulbegleitung für Mika dringend erforderlich. Die Hintergründe sind auch nochmal in dem beigefügten Schreiben an das UKGM erwähnt.

Vor Schulstart im Jahre 2014 hatten wir beim Sozialamt des oberbergischen Kreises einen Antrag auf eine Schulbegleitung gestellt. Damals verwies man an die Krankenkasse als zuständigen Leistungsträger. …

Nun haben wir als Mitarbeiter und Versicherte der Krankenkasse XY das große Glück gehabt, dass engagierte Kolleginnen und Kollegen in unseren Fall involviert waren. Es kam zu einer übergreifenden Besprechung aller Beteiligten in Gummersbach (Vertreter der Kranken- und Pflegekasse, Vertreter Schulamt, die Direktorin der Grundschule, eine Vertreterin vom Gesundheitsamt, eine Vertreterin des Sozialamtes, ein Elternteil.

In einer kontrovers und emotional geführten Gesprächsrunde war man sich einig, dass eine Schulbegleitung unbedingt notwendig ist - allein die Kostenträgerfrage blieb unbeantwortet. Die KK hat die Kostenübernahme schließlich als Vorableistung mit nachgelagerter gerichtlicher Klärung der Zuständigkeit zugesagt.

Dass die Schulbegleitung für Mika eine absolut richtige, notwendige und letztendlich lebensrettende Entscheidung war, zeigte sich am 02.09.2014. Mika erlitt im „Sportunterricht“ der sonderpädagogisch betreuten Fördergruppe beim Zusammenprall mit einem Mitschüler einen Herz-Kreislaufstillstand. Ohne die sofort einsetzende Reanimation der Schulbegleiterin und einer mehr als großen Portion Glück, sowie einem perfekten Zusammenspiel aller Rettungskräfte, konnte Schlimmeres verhindert werden.

Nach diesem Vorfall wurde Mika ein Herzschrittmacher/Defibrillator implantiert, der ihm bei einer ähnlichen Situation eine schnellere Hilfe ermöglichen soll.

So weit, so gut … bis die Krankenkasse die Kostenübernahme nach zwei Jahren, kurz vor dem dritten Schuljahr plötzlich ablehnte.

Leider wurde in den zwei Jahren versäumt, die Kostenfrage mit dem oberbergischen Kreis zu klären. Leider zu unseren Lasten, denn die Kostenübernahme musste nun in relativ kurzer Zeit, vor dem Beginn des neuen Schuljahres 2016, geklärt werden. Für Mika und uns stand dabei einiges auf dem Spiel, denn die Grundschule Körnerstraße hat mit Rückendeckung des Schulamtes unmissverständlich erklärt, dass Mika nur bei einer Fortführung der Schulbegleitung auch weiterhin seine bereits gewohnte Schule besuchen darf. Gleiche Prämisse gilt auch für jede andere Regelschule.

Das komplette Verfahren zog sich über Wochen und Monate hin. Abgesehen von der zähen Kommunikation und langen Wartezeiten zwischen einzelnen Bescheiden und der psychischen Belastung, welcher die betroffenen Familien dabei ausgesetzt sind, bleibt unterm Strich immer der fade Beigeschmack und Eindruck, dass man für das Wohl seines kranken Kindes in einer langwierigen und harten Bürokratie-Schlacht gegen den großen Goliath „Kommune“ kämpfen muss.

Der Traum eines jeden Betroffenen wäre hier sicherlich das dringende Bedürfnis, Hilfe und Unterstützung zu erfahren und die Stadtverwaltung nicht als Gegner, sondern als unterstützenden Partner wahrzunehmen ….

Wir hatten, nicht zuletzt auch durch zahlreiche individuelle Briefe und Gespräche mit den unterschiedlichen Instanzen das Glück, dass die generelle Schulbegleitung für die Regelschulzeit bewilligt wurde … in der zweiten Hälfte der Sommerferien!!!

Damit zwar noch rechtzeitig, aber die Zeit der Ungewissheit bis kurz vor Startschuss hat den notwendigen Bedarf an Entspannung in der Ferienzeit leider mehr als geschmälert. Aktuell besteht das Problem, dass die Schulbegleitung nicht für die Betreuungszeit nach der regulären Schulzeit bewilligt wurde. Hier gibt es wieder andere Richtlinien und Vorgaben. Und es bleibt der Grundsatz der Schule … keine Betreuung ohne Schulbegleitung. Durch die Betreuungsgruppe werden Ausfälle von Schulstunden, oder sogar ganze Tage abgefangen und ganz generell gesagt, macht die Betreuung bis 13.30 Uhr einen Tag planbar und sorgt für eine gewisse notwendige Struktur im Tagesablauf der Familie.

Als alleinerziehende Mutter schöpft man per se nicht aus den Vollen, hat aber durch die planbaren Zeitfenster der Schulbetreuung, ein notwendiges Maß an Flexibilität, welches man in der heutigen Arbeitswelt, auch als Teilzeitbeschäftigte, haben muss.

Aus Sicht von Mika bekommt die Betreuungsgruppe noch einen ganz anderen Stellenwert … aufgrund seiner Krankheit nimmt er nicht am „normalen“ Pausengeschehen statt. Er bleibt, anders als alle anderen Kinder, im Klassenraum. Diese Form der „Isolation“ wirkt sich zwar positiv auf die Verletzungsprävention aus, aber leider auch negativ auf die eigene Wahrnehmung seiner Person in der Gruppe … Es gehört sicherlich nicht viel dazu, sich unter diesen Bedingungen als Sonderling und aufgrund seines körperlichen Handicaps, als Außenseiter zu sehen.

Soziale Integration fällt dadurch schwer. Die Betreuungsgruppe stellt aber eine Möglichkeit dar, wo Mika außerhalb des Schulalltags im Unterricht, überhaupt erst eine Chance bekommt, sich gruppendynamisch zu integrieren. Und wenn man von Inklusion und Integration von benachteiligten Menschen spricht, dann gehört doch die soziale Integration ganz vorne mit dazu.

In Mikas Fall kommen neben der Betreuungsgruppe ja auch noch andere Konstellationen infrage, die unter der Maßgabe einer allzeit präsenten Schulbegleitung  Schwierigkeiten aufwerfen ….

Was ist denn bei Nachmittagsveranstaltungen, Schulausflügen, etc. – es gibt neben der Regelschulzeit sicherlich noch genug Anlässe, die Mika ohne eine Schulbegleitung verwehrt bleiben und ihn weiterhin als Außenseiter in der Fremd- und vor allem Eigenwahrnehmung erscheinen lassen.

Als Achtjähriger ist man in der Phase sich zu messen, seinen Platz in der Gruppe zu finden und ein Selbstwertgefühl aufzubauen, bzw. zu entwickeln. Die Entwicklung des Selbstwertgefühles ist bei Mika empfindlich gestört und manifestiert sich aktuell, nicht zuletzt nach den beiden zweiwöchigen Krankenhausaufenthalten in diesem Jahr zu einem handfesten psychischen Problem bei Mika und letztlich auch für den Rest seines sozialen Umfeldes.

Zur Integration gehört also nicht nur die Möglichkeit, den Lernstoff in der gleichen Art und Weise wie nicht behinderte Kinder genießen zu können, sondern unserer Meinung nach insbesondere die soziale Integration in den normalen Klassenverband mit allen Interaktionen.

Aktuell läuft für Mika ein Widerspruch beim Oberbergischen Kreis gegen die Ablehnung der Kostenübernahme einer Schulbegleitung über die normale Regelschulzeit hinaus. Wie oben bereits erwähnt, wurde auch dieser Antrag nicht unbedingt durch Hilfestellung seitens des Kreises begleitet. Telefonisch wurde kurz geschildert, dass man eine Möglichkeit der Kostenübernahme sieht, wenn eine Art „sozial/emotionale Störung“ bei Mika vorliegt und dies ärztlich (auch Hausärztlich) bescheinigt würde.

Nichts Anderes haben wir veranlasst … mit dem Ergebnis, dass die Unterlagen nicht ausreichend seien. Was aber ausreichend ist … es bleibt vermutlich immer ein Rätsel, dass sich die Betroffenen in einem "try and error" – Verfahren in Form von Einsprüchen selbst erschließen müssen …. Abschließend bleibt für uns der nicht nachvollziehbare Umstand, dass die Gemeinden unterschiedliche Bemessungen bei den Bewilligungen als Maßstab haben.

Die Stadt Köln etwa unterscheidet gar nicht nach „Regelschulzeit“ und weiteren Betreuungszeiten in der Schule. Die Schulbegleitung wird, im Falle einer Bewilligung, ausnahmslos und ohne zeitliche Begrenzung eingeräumt.

Willkommen in Deutschland, wo jeder Mensch gleich ist vor dem Gesetz …